Sie befinden sich hier: Startseite » Ortsteile » Mechterstädt » Wissenswertes

Denkmal der Märzgefallenen

Der Nebel ist geblieben – Das Denkmal an der B7

Denkmal

Der Gedenkstein aus Porphyr inmitten einer grünen Hecke an der B 7 hinterm Friedhof, Richtung Gotha, steht 2003 genau 50 Jahre. Er wurde 1953 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung aus Mechterstädt und umliegender Orte zu Ehren von 15 zumeist sehr jungen Menschen aus Bad Thal gesetzt. Die einfachen Arbeiter und Handwerker, unter ihnen drei Brüder, wurden von Marburger Studenten im nebligen Morgengrauen des 25. März 1920 erschossen – „auf der Flucht erschossen“, wie es die Gerichtsakten ausweisen. Ein Großteil der Getöteten starb in der Nähe des Ortes, wo heute der Gedenkstein steht.

Nicht einer der 15 hatte den Fußmarsch von Sättelstädt nach Gotha überlebt, wo sie angeblich einem Kriegsgericht überstellt werden sollten.

Die Tragödie von Mechterstädt sorgte wegen ihrer Unmenschlichkeit für Aufsehen bis in die Vereinigten Staaten von Amerika.

Was geschah damals? Hier eine verknappte Zusammenstellung der Ereignisse anhand von Material aus der Eisenacher Stadtbücherei, eines Sonderdrucks des Marburger Corps Hasso-Nassovia (Mitglieder dieses Corps gehörten zu den Todesschützen) und von Zeitzeugen.

Dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wie die junge Weimarer Republik nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und den Schrecken des 1. Weltkriegs in ihrer Verfassung bestimmte, gefiel republikanischen Vertretern, insbesondere des Junkertums und des Militärs, gar nicht. Sie warteten auf ihre Chance. Sie mussten nicht lange warten. Am 13. März 1920 meldeten die Zeitungen, dass die Reichsregierung abgelöst sei. Ein gewisser Generallandschaftsdirektor Kapp aus Ostpreußen habe die Macht übernommen. Die Geschichtsschreibung spricht vom Kapp-Putsch.

Das deutsche Volk jedoch hatte keine Lust, einem unbekannten Mann namens Kapp zu folgen. Und es wollte auf keinen Fall zurück unter die Fuchtel von Kriegstreibern. Deshalb folgten die Menschen dem Aufruf der rechtmäßig gewählten Regierung zum Generalstreik. Kapp floh nach Schweden, der Putsch war nach drei Tagen vorbei. Am 16. März bereits ordnete die Ebert-Bauer-Regierung Ruhe und Ordnung und die Wiederaufnahme der Arbeit an.

In Thüringen, das als besonders aufrührerisch galt, versuchten Arbeiter und Handwerker die Chance der unruhigen Zeit zu nutzen, um noch mehr als die bereits erworbenen sozialen Reformen durchzusetzen. Diesen „spartakistischen Banden“ das Handwerk zu legen, zog ein eilends zusammengestelltes Zeifreiwilligenkorps mit Studenten der Marburger Universität von Hessen aus ins Land – das StuKoMa (Studentenkorps Marburg). Für die Studenten waren die Arbeiter ein rotes Tuch. Sie wollte man das Fürchten lehren. Der Rektor der Marburger Universität verabschiedete seine Studenten „standesgemäß“ mit Musik und Blumen. „Etwas von der Stimmung des 1. August 1914“ sei da wieder lebendig geworden, schrieb deren Führer Bogislaw von Selchow damals, ein weltkriegsgestählter Mann, der kurz zuvor noch Kapps Pläne unterstützte, jedoch rechtzeitig vom Scheitern des Putsches gehört hatte und sich nun wieder regierungstreu gab.

Die angehenden vorwiegend Mediziner, Juristen und Theologen, die mit ihm zogen, fanden im März 1920 aber nur noch wenig Aufruhr in Thüringen vor. In Bad Thal aber sollte sich nach Aussagen des dortigen Schultheißen Schein und des Gendarmen Heß zufolge eine „rote Garde“ gebildet haben, die zum Kampf für eine Räterepublik aufgerufen hatte. Dort verhaftete das StuKoMa am 24. März 1920 Männer, die sich in den Wirren der Putsch-Tage zu einer Arbeiterwehr zusammengeschlossen und Schusswaffen in Kälberfeld, Schönau, Kahlenberg, Sättelstädt und Sondra beschlagnahmt hatten. Bei diesen Streifzügen soll auch so manche Wurst aus einer Speisekammer unfreiwillig die Proviantbüchsen der „Spartakisten“ gefüllt haben. Dem Lehrer Göpel in Sättelstädt soll die Pistole vor die Brust gesetzt worden sein, als er nicht freiwillig sein Jagdgewehr ablieferte. Das gleiche sei mit weiteren Bewohnern geschehen, bezeugte der Sättelstädter Schultheiß Lux. Von Plünderungen und Zerstörungen in privaten Anwesen war die Rede. Diese Aussagen reichten dem StuKoMa für hartes Durchgreifen. Das erfüllte den Tatbestand von Aufruhr und Landfriedensbruch.

Nach einer in Bad Thal erstellten Liste nahm man 40 Männer fest. Unter ihnen wurden 15 ausgewählt, darunter vier Gemeinderäte, die auf einem großen Leiterwagen Richtung Gotha abtransportiert wurden – eskortiert von den martialisch mit Feldgepäck ausgerüsteten Marburgern, deren Fahrzeuge Totenköpfe zierten. Die Fahrzeuge allerdings sollen einer mitbeteiligten Motorbatterie gehört haben, deren offizielles Abzeichen ein Totenkopf war, verlautete später vor Gericht.

In Sättelstädt schloss man die Männer über Nacht ins Spritzenhaus ein, angeblich, um sie vor der Wut der Einwohner von Sättelstädt zu schützen. Dass in der dortigen Schule am Abend ein Standgericht von Offizieren abgehalten wurde, bei dem man den Tod der Gefangenen beschloss, hat Lehrer Göpel, der beteiligt gewesen sein soll, später vor Gericht bestritten. Auch ein Zechgelage im Sättelstädter Gasthaus „Zum Adler“ an jenem Abend sei unwahr – gab Gendarm Hess zu Protokoll. Am Morgen des 25. März, zwischen 5 und 6 Uhr, brach ein Kommando unter Befehl von Heinrich Goebel (Burschenschaft Germania) in dichtem Nebel Richtung Gotha auf. Die Gefangenen mussten bis auf den zuletzt laufenden besonders scharf bewachten Karl Hornschuh in Gruppen zu zweien oder dreien gehen. Ihnen sei mehrfach gesagt worden, dass bei jedem Fluchtversuch geschossen werde, hieß es vor Gericht.

Was dann wirklich geschah, ist bis heute im Nebel der Jahre verborgen. Tatsache ist: Nicht einer der 15 Gefangenen kam in Gotha an. Alle wurden auf der Chaussee nach Gotha erschossen. Einen ersten Toten gab es bereits nahe des alten Bahnhofes, kurz hinter Sättelstädt, die letzten lagen auf dem Feld, das unmittelbar an das heutige Denkmal in Mechterstädt angrenzt. Fast alle Erschossenen hatten bis zur Unkenntlichkeit zertrümmerte Schädel, was auf Nahschüsse verwies. Bei Karl Hornschuh, dem ersten „auf der Flucht erschossenen“ Toten, wurde ein „Herzschuss von vorn“ als Todesursache festgestellt. Weil dies jedoch nicht der erste Schuss gewesen sein soll, den er empfing, wisse man nicht, welche Stellung er vor dem Herzschuss gegenüber seinem Todesschützen eingenommen hat, äußerte sich ein Gerichtsmediziner . Der erste Schuss könne ihn herumgerissen haben, so dass er mit der Front zum Schützen stand, gab der Mediziner an. Angesichts dieser vorgeblichen „Flucht mit der Front gegen den verfolgenden Schützen“ machte sich der Dichter Kurt Tucholsky in seinem „Marburger Studentenlied“ lustig, unter anderem mit der Zeile: „Zwar sitzen ihre Wunden vorn – man kann auch rückwärts flüchten“.

Ein Zeitzeuge erinnert sich
Es gibt heute nicht mehr viele Augenzeugen in Mechterstädt, die sich noch an jenen Märztag 1920 erinnern. Zu lange ist das her. Hermann Gallitz, Jahrgang 1918, der damals mit seinen Eltern im Eisenbahnerhaus in der heutigen Schulstraße gewohnt hat, war gerade mal zwei Jahre alt. Er weiß jedoch noch, dass seine Mutter ihm davon berichtete, dass auf der Straße Gefangene liefen, „die die Hände über dem Kopf hatten und in die Hände klatschen mussten“. Dann habe es „über dem Friedhof geknallt“. Viele Leute seien hingeeilt an die Stelle. Die Mutter habe von „Leichen im Graben und auf dem Feld“ berichtet. Die Toten seien einfach liegengelassen worden, die „Marburger Jäger“ wären weitergezogen. Hermann Gallitz: „Es hieß, die Männer sind auf der Flucht erschossen worden. Aber das hat doch keiner geglaubt.“ Dr. Kindt, Arzt im Dorf, hätte gesagt, dass die Männer „von hinten erschossen“ und „in den Graben geschubst“ wurden.

Dr.Kindt hat die Leichen mit einer Sanitätskolonne abgeholt und neun von ihnen liegen sehen. Er durfte die Leichen jedoch nicht obduzieren. Das machte erst 5 bzw. 6 Tage später Dr. Jennicke aus Eisenach, weil dieser Arzt bereits Tausende im Feld Gefallene obduziert hat und deshalb das Infanteriegeschoss genau kennen würde, heißt es im Prozessbericht. Warum die Obduktion erst so spät erfolgte, ob sie erst auf Druck der Öffentlichkeit zustande kam – das ist nicht bekannt. Doch zurück zu den Erinnerungen von Hermann Gallitz. Nach dem, was ihm seine Mutter erzählt hat, habe es an jenem Tag neben den 15 Getöteten zwei weitere Tote gegeben – einen „im Lauchaer Feld, und einer soll beim Schmied in der Haingasse erschossen worden sein“. Was daran wahr ist, weiß man nicht. Tatsache ist, dass das Kommando aus Marburg in Mechterstädt Rast machte und neun weitere Gefangene übernahm, die wahrscheinlich aus einer anderen Richtung zugestoßen sind. Kamen sie aus Laucha her? Darüber gibt es bis heute keine Aussagen. In Mechterstädt jedenfalls sollen viele Menschen zusammengelaufen sein, die sich gegenüber den Marburgern feindselig verhielten. Sie seien erst durch Drohung mit Schießen verscheucht worden. In der Schule ist in den nächsten Jahren über die Schüsse „nichts gesagt worden“, erzählt Hermann Gallitz. Während die einen im Dorf von „maroden Brüdern“ (den Thalern) sprachen, hätten die anderen „auf die Jäger geschimpft“. Die Meinung war zweigeteilt.

Die Gerichtsverfahren
Die Kunde von den Schüssen in Mechterstädt machte 1920 schnell die Runde. Verfahren gegen die Mitglieder des StuKoMa waren deshalb nicht zu verhindern. In zwei spektakulären Gerichtsverhandlungen wurden 14 angeklagte Schützen einmal vor einem Kriegsgericht und dann einem Schwurgericht frei gesprochen. Nicht einer von ihnen hat sich je öffentlich zum Geschehen geäußert. Vertreter des Marburger Corps Hasso-Nassovia nehmen an, dass sich die Schützen an ein „Ehrenwort“ gebunden hatten, wie das in Verbünden wie Burschenschaften oftmals bis heute Kodex ist. Zweifel an der Lauterkeit der Urteile sind geboten. Nicht nur der nicht geklärten Umstände der Todesschüsse wegen.

Wie Autoren der jüngeren Zeitgeschichtsforschung nachwiesen, unterhielten Staatsanwalt Dr. Sauer und Verteidiger Dr. Luetgebrune während der Prozesse untereinander unerlaubten schriftlichen Kontakt. Sie tauschten sich auch über die Mechterstädter Ereignisse aus. Die entsprechenden Dokumente fanden sich im Nachlass der Juristen. Den Hinterbliebenen der Toten wurde wenigstens ein klein wenig Gerechtigkeit zuteil. Eine „Tumultentschädigungskommission“ (jetzt hieß das Tumult, nicht mehr Aufruhr!!) , die in Gotha ein Jahr nach den Prozessen gegen die Marburger Schützen zusammentrat und den Hinterbliebenen eine Rente zubilligte, begründete dies u.a. damit, dass es nicht glaubhaft sei, nicht wenigstens einzelne der 15 Gefangenen „oder auch nur einen lebend, wenn auch schwer verwundet, dem Standgericht vorzuführen“. Das Übermaß des Waffengebrauchs war zumindest für diese Kommission „nicht mehr rechtmäßig“. Die Universität Marburg, die sich nach den umstrittenen Gerichtsurteilen 100prozentig auf die Seite der Schützen schlug und keine Kritik an ihnen duldete, unternimmt auch heute wenig, um die Wahrheit über den 25. März 1920 herauszufinden. Bis in die Gegenwart ist deshalb der Schrei nach dem Recht aktuell, der aus Mechterstädt laut wurde. Der Gedenkstein an der B 7 soll nicht nur an die Toten erinnern, die in Thal begraben liegen, sondern er fordert gleichermaßen Aufklärung und den fairen Umgang mit Andersdenkenden, wie das in einer Demokratie üblich ist.

Die Lehren
Nach der Wende ist das gemeindeeigene Denkmal vernachlässigt worden, das bis dahin von Schulkindern gepflegt wurde. In den 90-er Jahren besuchten Mitglieder des Marburger Corps Hasso-Nassovia Mechterstädt und hinterließen bei den Gemeindevertretern einen Sonderdruck, den sie 70 Jahre nach den Ereignissen zusammengestellt hatten. Darin heißt es u.a. im Kapitel „Unsere Stellungnahme“: „Es gilt: In dubio pro reis. Dieser Grundsatz enthebt uns andererseits nicht von der Verpflichtung, uns der Möglichkeit zu stellen, dass es auch anders gewesen sein kann.“ Betrauert werden die Opfer. „Dies gilt selbst dann, wenn sie die ihnen zur Last gelegten Taten – nämlich Aufruhr und Landfriedensbruch – tatsächlich begangen haben.

Im letzten Satz des Lehren-Kapitels heißt es: „Wir, die wir wie einige der Schützen dem Corps Hasso-Nassovia angehören, haben aus den Ereignissen die Lehre zu ziehen, dass Intoleranz gegenüber Andersdenkenden und Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung die künftige Geschichte nicht mehr beherrschen dürfen.“

Landschaftsgärtner Martin Vogel aus Mechterstädt beteiligt sich an dem Pflegearbeiten. Einmal im Jahr schneidet er die Hecke kostenlos.

Artikel zum Besuch der Marburger Studenten 2012

© Michael Berkner E-Mail

Chronik von Mechterstädt

Chronik

Das malerische Tal der Hörsel, der frühere Fischreichtum dieses Flusses und die günstige Lage, haben wohl die ersten Siedler veranlasst sich in unserer Gegend anzusiedeln.

Erstmals erwähnt wurde Mechterstädt im Jahr 775. Der fränkische König Karl schenkte dem Kloster Hersfeld eine Hufe Landes in „villa Mehderstede“ (Dobenecker 1/n70). Dies geht aus dem Breviarium sancti Lulli Tafel 1, einem Hersfelder Güterverzeichnis hervor.

8.-14. Jahrhundert
Urkundliche Erwähnungen aus dem 8. und 9., später dann wieder aus dem 11.,12. und 13. Jahrhundert über Erwerbungen und Schenkungen von Klöstern und Adligen lassen darauf schließen, dass Mechterstädt in dieser Zeitspanne unter klösterlicher Lehensherrschaft gestanden hat. Namentlich bekannt sind das Kloster Hersfeld, das Kloster Fulda, das Kloster Reinhardsbrunn und das Katharinenkloster in Eisenach.

Es sollen vor der Reformation auch 2 Klöster in Mechterstädt gestanden haben. Eines soll an der Stelle des ehemaligen adligen Gutes gewesen sein und das andere auf dem heutigen Grundstück Kittel 6. Wahrscheinlicher aber ist, dass dies nur Klosterhöfe waren. Der im Kittel gehörte wohl zum Katharinenkloster in Eisenach.

Um 1508 gehörten das Rittergut und ein Teil des Dorfes den Herren von Reckrodt, ein anderer Teil denen von Hopfgarten. Im Jahre 1525 beteiligten sich Mechterstädter Bauern, und zwar nur die Hopfgartischen Untertanen, an der Stürmung des Klosters Reinhardbrunn. Diese wurden 14 Tage nach der Aufruhr vom Kurfürst zu einer außerordentlich hohen Strafe von 800 Gulden verurteilt. „Es waren damals 27 Hopfgartische Untertanen, so dass auf den Einzelnen im Durchschnitt 30 Gulden entfielen. 30 Gulden aber stellten den Wert von 10 Kühen dar“.

In alten Dokumenten werden um 1531 die Herren von Reckrodt, namentlich Jobst von Reckrodt, als alleiniger Lehnsherr über den adligen Rittersitz, die Erb- und Obergerichte sowie den „jure patronatus“ genannt. Nach 1592 verkaufte Herrmann von Reckrodt das Gut nebst allen Zugehörigkeiten und allen Gerechtigkeiten an die Herren von Hopfgarten, diese besaßen es über 40 Jahre.

17.-18. Jahrhundert
Abermals verkauft wurde das Gut mit dem größten Teil der Untertanen, Gerichte und dem „jure patronatus“ im Jahre 1642 von Ernst Sittig von Hopfgarten an den Obrist-Wachtmeister Wolf Conrad von Gräfendorff. Die übrigen Untertanen behielt sich der von Hopfgarten vor, so hatte das Dorf stets zwei Gerichtsherren und auch zwei Schultheißen.

Im Dreißigjährigen Krieg hatte auch Mechterstädt, da es an zur damaligen Zeit bedeutenden und stark frequentierten Straßen lag, unter Plünderungen durch Kaiserliche und Schweden zu leiden. Unzählige Male mussten die Bewohner flüchten und ihr Dorf im Stich lassen. Laut Seelenregister von 1642 war die Einwohnerzahl auf nur zwei Fünftel zurückgegangen. Dieses waren überwiegend alte Leute, Frauen und Kinder.

Ein weiterer schwerer Schicksalsschlag traf das Dorf im Jahre 1655, ein Großbrand vernichtete 87 von 120 Häusern. Trotzdem bauten die Bewohner ihre Häuser schnell wieder auf, denn 1668 lt. M. Füldners Seelenregister, sind 96 Häuser wieder bewohnt und 1713 hat Mechterstädt wieder 118 Häuser und 568 Einwohner.

An der Straße Frankfurt–Leipzig lagen auch die beiden alten Fuhrmannsgasthöfe, der unter hopfgartischen Gericht und Lehn stehende „Zum goldenen Löwen“ und der Gräfendorffische “Zum weißen Roß“. Hier wechselten die Fuhrleute ihre Pferde.

Ab 1642 war Mechterstädt gothaisches Grenzdorf und Geleitseinnahme. 1673 wurden dem Wirt und Zöllner Jacob Reinhardt die alten Malz- und Braurechte durch Herzog Ernst den Frommen erneut bestätigt, wurden diese kleineren Orten doch des öfteren streitig gemacht. Im Jahre 1716/17 wurde an Stelle einer alten kleinen Kirche die heutige Marienkirche errichtet. Sie ist eine besondere Sehenswürdigkeit unseres Ortes.

Im Jahre 1731 wurde der Hörsellauf reguliert, die große Schleife unterhalb der Stiede oder des Stierenhögkes, die ständig für die Überschwemmung des Unterdorfes verantwortlich war, wurde beseitigt.

Im Siebenjährigen Krieg 1756-1763 herrschte im Ort wieder große Not durch Plünderungen und Kriegswirren. Überhaupt ist auffällig in der Geschichte, dass Mechterstädt durch seine Lage unweit der alten Nord-Süd-Straße und unmittelbar an der West-Ost-Verbindung, der alten Königsstraße, später Frankfurt-Leipziger Straße, immer wieder durch durchziehende Truppen viel Leid erdulden und vor allem auch für die Verpflegung, der teilweise in unserer Gemarkung biwakierenden Kriegsparteien, viele Entbehrungen hinnehmen musste. Besonders auch zu Zeiten Napoleons war die alte Königsstraße eine der wichtigsten Aufmarschstraßen, sowohl für Napoleons Armee, als auch für seine Gegner.

19. Jahrhundert
1866 führt nochmals die Nord-Süd-Straße den Krieg ins Dorf. Im Deutschen Krieg kommen Teile der hannoveranischen Armee über den Hainberg. Bei einem Scharmützel wird der Hannoveraner Rohlfs getötet und auf dem alten Friedhof östlich der Schafgasse beigesetzt.

In den Jahren 1838/39 kaufte Herzog Ernst der I das Gräfendorffsche Rittergut nebst dem Hopfgartischen Anteil, und der Ort wurde nun ein Amtsdorf des Herzoglichen Justizamtes Tenneberg. 1842 wurden die Gutsländereien vereinzelt und größtenteils den hiesigen Einwohnern käuflich überlassen. Alle darauf folgenden Abgaben wurden vom Herzoglichen Rentamte Tenneberg in festgesetzten Terminen eingenommen. Im Jahre 1843 verkauft die Herzogliche Kammer auch die Waldung an die „92er Corporation“.

Der Bau der Eisenbahn in den Jahren 1845-1847 bringt für unseren Ort viele Veränderungen. Der nördliche Teil des Dorfes erhielt durch den Bahnbau ein ganz neues Gesicht, denn die Nordausgänge des Dorfes waren durch die Bahnlinie abgeschnitten. Um einen Dorfeingang wieder herzustellen, wurde der Hopfgartische Schafhof, der oben an der Schenkgasse lag, ganz abgerissen, der Fuhrmannsgasthof „Zum goldenen Löwen“ wurde bis auf einen Teil des Gastgebäudes abgerissen, und der stehengebliebene Teil diente als Bahnmeistereigebäude. Nach Verlegung der Bahnmeisterei nach Wutha, wurde auch dieser Teil abgebrochen und dadurch der neue Zugang in der Schenkgasse geschaffen. Die Stallungen und Wirtschaftsgebäude des Gasthofes “Zum weißen Roß” mußten ebenfalls dem Bahnbau weichen. Die früher direkt ins Hainfeld mündende Schafgasse konnte von Norden her nur über die Bahnübergänge an der Schenkgasse und an der Hölzernen Gasse (heute Schulstraße) erreicht werden.

Brücken über die Hörsel bestanden zu dieser Zeit noch nicht im Dorf, der Fuhrverkehr erfolgte durch Furten. Die Fußgänger benutzten 3 Holzstege, einen unterm Kittel nach der sogenannten Spicke, der Pfarrsteg gegenüber der Pfarrei und am Ausgang der Haingasse der “Steg”, welcher auf die damalige Sackgasse im Strauch mündete. Diese wurden bei Hochwasser oft weggerissen, so daß der südliche Teil des Dorfes vom Rest abgeschnitten war. 1857 wurde die erste neue Brücke bei der Mühle, die Pfeiler aus Stein und die Decke aus Holz, gebaut. Diese Brücke wurde im Jahre 1871 erneuert . 1891 errichtete man dann die Brücke zur Vippacher Gasse.

1875 wurde das neue Schulgebäude gegenüber der Kirche eingeweiht, bis dahin war das Schulhaus das Haus Hauptstraße 8. Am 3.Oktober 1880 wird ein zweites ganz neues Schulgebäude geweiht in der so genannten “Hölzernen Gasse”, die bei diesem Anlass verbreitert und hergerichtet und ab da den Namen “Schulgasse” führt und im Jahre 1899 wurde an dieses Haus noch angebaut. Dieses Haus ist unsere heutige Grundschule.

20. Jahrhundert bis heute
Seit am 24. Juni 1847 die Bahnstrecke Gotha-Eisenach eingeweiht wurde lag die Haltestelle Sättelstädt – Mechterstädt zwischen den beiden Orten, da die Einwohner beider Dörfer den Bau einer eigenen Haltestelle im Ort ablehnten. Da die Güterbeförderung der Bahn immer mehr an Bedeutung gewann, wurde Ende 1909 mit den Arbeiten zum Bau eines Güterschuppens begonnen. Durch den Bau des Güterbahnhofes und der Überholungsgleise wurde die bisherige Eisenbahnhaltestelle Sättelstädt-Mechterstädt zum Bahnhof IV. Klasse. Am 1. Mai 1911 wurde dann der Bahnhof für den Güterverkehr freigegeben. Da die Gemeinde Mechterstädt einen Großteil der Kosten zur Errichtung des Güterbahnhofes beigesteuert hatte, wurde am 1.10.1911 die Haltestelle in Mechterstädt – Sättelstädt umbenannt.

Im ersten Weltkrieg wurden 139 Männer aus Mechterstädt im Alter von 17 bis 48 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen. 24 von ihnen sind gefallen und 5 gelten als vermisst. An den Kriegsfolgen starben nach dem Krieg noch 3 Männer.

1920 gelangte unser Ort durch ein trauriges Ereignis während des Kapp-Putsches in die Schlagzeilen. Fünfzehn, von Marburger Studenten gefangene Arbeiter aus Thal wurden in der Nähe Mechterstädts, noch in unserer Gemarkung, entlang der heutigen B7,erschossen.

Ab 1930 wurde mit der Bebauung der Auen- und Weststraße begonnen. 1938 wurde die damalige Reichsautobahn gebaut. Viele Fremdarbeiter, die beim Bau der Autobahn tätig waren, wohnten in unserem Ort, teilweise mit ihren Familien.

Im zweiten Weltkrieg gab es in unserem Ort zwar keine wesentlichen Zerstörungen, aber viele junge Männer unseres Ortes mussten ihr Leben lassen. Namentlich sind 89 Gefallene und Vermisste bekannt, in einigen Aufzeichnungen ist aber von 98 bis über 100 die Rede. Am 6. April 1945 rückten in Mechterstädt die Amerikaner ein und blieben bis Anfang Juli als Besatzungsmacht. Am 4.Juli wurden sie von den sowjetischen Truppen abgelöst.

Nach dem Krieg stieg die Bevölkerungszahl durch Zuzug von Umsiedlern auf 1430. Bei der Volkszählung 1946 wurden sogar 1607 Einwohner gezählt. Deshalb war es nötig neuen Wohnraum zu schaffen. In der Schulstraße wurde von der Gemeinde ein Wohnhaus gebaut.

1949 wurde vom Hilfswerk der Evang.- Luth. Kirche das Pfarreiland über der Bahn, auf dem sich eine Kirschplantage befand, gepachtet und vom Gärtner Gustav Vogel, einem Umsiedler, urbar gemacht. Herr Vogel und seine Familie, unterstützt vom Hilfswerk, errichteten hier eine Gärtnerei. Aus dem öden Brachland fruchtbares Gartenland zu machen, war eine schwierige Aufgabe. Später, 1952, wurde ein Alters- und Pflegeheim für 50 Personen gebaut, in dem Heimatlose, Hilfsbedürftige und alte Menschen ein Heim fanden. Diese caritative Einrichtung wurde nach dem Begründer der Bethelschen Anstalten Friedrich von Bodelschwingh, der sein Leben in den Dienst hilfsbedürftiger Menschen stellte, benannt und trägt auch heute noch den Namen Bodelschwingh-Hof.

Im Jahre 1952 wurde die Brücke zur Vippacher Gasse erneuert. In den Jahren 1955/56 wurde die Maschinen-Traktoren-Station in der Lauchaer Straße aufgebaut. In diesen Jahren entstanden auch die Wohnhäuser gegenüber der MTS.

1958 wurde auf dem Lindenplatz, der Standort war sehr umstritten, das Landwarenhaus gebaut, unsere heutige REWE-Nahkauf-Verkaufstelle.

Am 7.3.58 wurde nach langen Verhandlungen auch in Mechterstädt eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) gegründet. 13 Mitglieder zählte diese erste LPG Typ 1. Bis zum April 1960 schlossen sich dann alle landwirtschaftlichen Betriebe zu einer LPG zusammen, allerdings war der Zusammenschluss nicht unumstritten. Die LPG bearbeitete damals 715,26 ha landwirtschaftliche Nutzfläche.

Am 29.April 1961 nachmittags stieg nach einem sehr starken Regen die Hörsel über 3m. Das halbe Dorf stand unter Wasser. Aus 32 überfluteten Gehöften musste das Vieh gerettet und in höher gelegenen Höfen untergebracht werden. Einige Bewohner, der am stärksten betroffenen Häuser mussten diese ebenfalls verlassen und sich in Sicherheit bringen. Die im Bau befindliche Kegelbahn war von den Hochwasserschäden stark betroffen, ebenso das Landwarenhaus. Das Wasser stand 30cm höher als bei der Hochwasserkatastrophe 1876. Trotz des erheblichen Hochwasserschadens konnte die Kegelbahn am 17. Dezember 1961 eingeweiht werden.

In den Jahren 1962/63 wurde die Dorfstraße gepflastert und im darauffolgenden Jahr Gehwegplatten verlegt. Das Organisations- und Rechenzentrum wurde 1972 gebaut. 1972 wurde auch mit dem Bau des ersten Wohnblocks mit 40 Wohnungseinheiten, Neue Straße 1-5, begonnen. 1973 konnten die ersten Mieter einziehen. Der 2. Neubaublock, Neue Straße 6-8, wurde 1977, fertiggestellt. Hier wurden 24 WE geschaffen.

Im Frühjahr 1973 war Baubeginn an der Turnhalle. Viele Einwohner unseres Ortes, vor allem die im Sportverein BSG “Traktor Mechterstädt” organisierten, beteiligten sich tatkräftig am Bau der Turnhalle. Jedes Wochenende wurde gearbeitet und gemeinsam schaffte man es dann auch. Ebenfalls in diesem Jahr begann man mit dem Bau des Kultursaales und der Küche der KAP Mechterstädt. Beendet wurde der Bau 1974. Am 1.Mai 1974 wurde die neue Sporthalle feierlich eingeweiht. Im Frühjahr 1974 war Baubeginn für unsere neue Schule. Nach gut eineinhalbjähriger Bauzeit konnte sie am 11.11.1975 eingeweiht werden. Auch der Speisesaal entstand in dieser Zeit.

Im Sommer 1975 feierte Mechterstädt seine 1200 Jahrfeier, basierend auf der Ersterwähnung um das Jahre 775 im Güterverzeichnis des Klosters Hersfeld. Im Rahmen einer Festwoche vom 11.- 20.7. fanden viele Veranstaltungen statt, ein besonderer Höhepunkt war der Festumzug am Sonntag, dem 20.7., in bunten Bildern wurde die Entwicklung unseres Ortes dargestellt.

1976/77 wurde in den unteren Räumen der Schule eine Kinderkrippe eingerichtet. Viele berufstätige Mütter nahmen diese Einrichtung gerne an. Am 1.5.1983 wurde dann auch ein neuer Kindergarten auf dem Börner eingeweiht. Der alte Kindergarten in der Kirchschule war zu klein geworden. Der Kindergarten feierte 2003 sein 20jähriges Bestehen und erhielt dabei den Namen „Dreikäsehoch.“

1982 wurde auf dem Bodelschwingh-Hof eine Arbeitstherapie eingerichtet und im Jahre 1983 wurde das neugebaute Wohnheim des Bodelschwingh-Hofes eingeweiht. Der schöne Neubau mit großem Speisesaal, der auch für gemeinsame Veranstaltungen genutzt werden kann, war eine weitere Verbesserung für die Behinderten, die auf dem Bodelschwingh-Hof ein zu Hause fanden. Der Bau war nur durch die finanzielle Hilfe der Bundesrepublik und anderer Geldgeber möglich.

1984 wurde die Brücke zur Haingasse erneuert. Nach langjähriger Bauzeit konnte am 6.10.1985 die Kulturstätte, unser heutiges Bürgerhaus in der Eisenacher Straße, eingeweiht werden. Die Mechterstädter hatten endlich wieder einen Saal.

Am 26.10.1986 wurde das Sportlerheim auf dem Sportplatz festlich eröffnet. Dem unermüdlichen Einsatz vieler Einwohner unseresO rtes, allen voran die Mitglieder der Sektion Fußball, war es zu verdanken, dass dieses Gebäude entstehen konnte. Endlich hatte man ordentliche Umkleideräume und Toiletten für die Sportler.

Am 31.10.1989 war in unserer Marienkirche das erste Friedensgebet, 256 Mechterstädter und Einwohner der Nachbargemeinden unterzeichneten eine Resolution für freie und demokratische Wahlen.

Nach der Öffnung der Mauer am 9.11.1989 überschugen sich die Nachrichten und Ereignisse. Auch in Mechterstädt bildete sich im Januar 1990 ein “Runder Tisch”. Er setzte sich aus 7 Ratsmitgliedern und 7 Mitgliedern der Bürgergruppe zusammen. Ziel war es, das kommunalpolitische Leben bis zu den ersten freien Wahlen aufrecht zu erhalten.

Am 18.03.1990 wurde das 1. Mal frei und demokratisch gewählt. Zur Volkskammerwahl stellten sich in unserer Gemeinde 14 verschiedene Parteien zur Wahl. Am 06.05.1990 fand dann die Kommunalwahl statt. Frau Frau Evelin Groß, CDU, wurde Mechterstädts erste demokratisch gewählte Bürgermeisterin. Frau Groß war bis zum 28.02.2002 Bürgermeisterin unseres Ortes.

Nach ihrem Rücktritt fand am 24. März 2002 eine Bürgermeisterwahl statt. Neuer Bürgermeister wurde Herr Dieter Specht, SPD, der auch heute noch das Amt des Bürgermeisters begleitet.

© Michael Berkner E-Mail

Alte Apotheke

Kräuter im alten Rittersaal

Apotheke
Alte apotheke

Über Friedrich Witt, den ersten Apotheker von Mechterstädt, und seine Nachfolger

(Eine unvollständige Aufzeichnung von Rita Specht nach umfangreichen ersten Recherchen von Ortschronistin Doris Strobach im Staatsarchiv sowie vorliegendem Material von Regina Gramm, Albert Hild und Arno Schlothauer.)

Im April 2001 beging die Apotheke in Mechterstädt ihr 150. Jubiläum. Wenige Wochen vor diesem Datum war Apothekerin Regina Gramm, unterstützt durch ihre Schwiegermutter, fündig geworden: Im Thüringischen Staatsarchiv Gotha fand sich eine Urkunde – die Konzession von Herzog Ernst II. , ausgestellt für den Gothaer Bürger Friedrich Witt, geboren 1816, zum Betreiben einer Apotheke in Mechterstädt. Am 7. April 1851 soll der Herzog entschieden haben, am 11. April (laut Albert Hild) soll Friedrich Witt die Konzession erteilt worden sein.

Während Regina Gramm mit offenen Armen im Mechterstädt der Nachwendezeit aufgenommen wurde, hatte es der Städter Witt damals nicht leicht, ein Mechterstädter zu werden. Nachdem bekannt geworden war, dass Witt eine Apotheke im Dorf betreiben will, erhoben die Apotheker aus Ruhla, Waltershausen und Friedrichroda nämlich Einspruch beim Herzog. Sie fürchteten, der Neue könnte ihre Einkünfte schmälern. Als einen Grund gegen die Mechterstädter Apotheke sollen sie angegeben haben, dass den Einwohnern von Mechterstädt und Umgebung der Weg in ihre Apotheken durchaus zuzumuten sei – zu Fuß wohlgemerkt!

Auch in Mechterstädt bläst dem Friedrich Witt zuerst ein scharfer Wind entgegen. Die Gemeindevorsteher, die ihm zunächst (laut Albert Hild) mündlich zugesagt hatten, dass er als „Mitnachbar“ aufgenommen wird, verweigern ihm später die Aufnahme. Da hatte der Apotheker aber bereits das steinerne Haus samt Grundstück für 1.400 Taler erworben.

Wahrscheinlich befürchteten die Mechterstädter, dass die Einkünfte aus einer Apotheke auf dem Land nicht reichten, die Familie Witt zu ernähren, und sie dann die Leute finanziell unterstützen müssten, mutmaßt Hobbychronist Albert Hild in seinen Aufzeichnungen. Die Sorgen der Gemeinderäte sollten nicht unberechtigt sein, wie sich wenig später herausstellte.

Friedrich Witt kämpft erst einmal um sein Recht, die Apotheke führen zu dürfen. Er lässt sich nicht so einfach vertreiben, sondern schreibt an das Herzogliche Justizamt. Und ihm wird Recht gegeben! Im August 1851 beauflagt Justizia Mechterstädt, den Apotheker als Mitnachbar aufzunehmen.

Schon im Februar des folgenden Jahres muss Friedrich Witt einen Zweitjob beantragen, wie man heute sagen würde. Er will nun neben der Apotheke einen Materialwarenladen betreiben. Diesmal sagt das Herzogliche Justizamt Nein. Auch deswegen, weil es schon zwei solcher Läden (nach Albert Hild) in Mechterstädt gab, darunter einen vom Schultheiß Friedrich Salzmann, der umgehend Veto beim Justizamt einlegte.

Witt und Salzmann müssen auf keinem guten Fuß gestanden haben, denn der Schultheiß versuchte auch künftig, dem Apotheker eins auzuwischen. So war es damals Pflicht, dass man ein neues Gewerbe im Regierungsblatt anzuzeigen hatte. Das versäumte Witt. Der Schultheiß bekam davon Wind und petzte das Versäumnis dem Justizamt. Das hat Friedrich Witt aber nicht die Apotheke gekostet.

Geführt hat er sie in den nächsten Jahren ohne nennenswerte Beanstandungen, wie noch vorhandene Revisionsblätter ausweisen. So gibt es beispielsweise ein Protokoll vom 16. September 1858 – Witt war 42, sein Gehilfe Friedrich Platz aus Friedrichswert 18 Jahre alt. Die Revisoren rechneten Rezepte nach und kontrollierten den Giftschrank. Alles war soweit in Ordnung. Lediglich der Kräuterboden musste von verschimmelten Kräutern gereinigt werden, einige kleine Gewichte wurden für zu leicht befunden, und die Kenntnisse des Lehrlings wurden für mangelhaft befunden. Man befand, dass die Apotheke einen zweiten Mann gut vertragen könnte, der den Apotheker vertreten kann. Doch damals müssen die konjunkturellen Zeiten denen von heute ähnlich gewesen sein, denn einen zweiten Mann konnte Friedrich Witt sich nicht leisten.

Trotzdem hat er sich wacker geschlagen. In alten Aufzeichnungen (nach Albert Hild) heißt es, dass in der Witt’schen Apotheke die Mixturen, Kräuter- und Fruchtsäfte und die Tees noch selbst hergestellt wurden. Beim Sammeln half der „Kriterschorsch“, ein tüchtiger Mann und guter Kenner der Kräuter (wer war das – ein Mechterstädter?). Die Kräuter wurden dann im früheren Rittersaal der alten Kemenate im steinernen Haus getrocknet. Es muss ein wunderlicher Anblick gewesen sein, die unzähligen Kräuterbündel inmitten der reichen, ziemlich bunten Renaussanceausmalung des Saales zu sehen, schreibt Albert Hild. Die Genehmigung zum Führen eines Materialwarenladens erkämpft Friedrich Witt schließlich im Januar 1860 doch noch. Bedingung: Er darf weder schmutzende noch stark riechende Waren verkaufen, und die Ware muss von der Apotheke getrennt verkauft werden.

Am 30. Oktober 1878 trat Friedrich Witts Sohn Franz Otto, geboren 1856, in die Apotheke ein – ein approbierter Apotheker. Friedrich Witt tut gut daran, seinen Nachfolger einzuarbeiten. Er stirbt am 10. April 1896. Friedrich Witt, der erste Apotheker von Mechterstädt, hatte die Apotheke 45 Jahre lang geführt – bis ins hohe Alter von 80 Jahren.

Sein Sohn Franz wird ein würdiger Nachfolger. Im Dezember 1897 verfügte das Herzogliche Landratsamt, dass er in Räumen neben der Apotheke die Materialwarenhandlung weiter führen kann. Noch immer reicht das Apothekengeschäft allein nicht aus. Franz Witt starb am 18. Oktober 1920 und wurde im Alter von 64 Jahren, vier Monaten und 17 Tagen in Mechterstädt beerdigt. 42 Jahre lebte er hier, 24 war er Inhaber der Witt’schen Apotheke.

Nach Franz Witt verwaltet ein Herr Schober die Apotheke bis ins Frühjahr 1921. Sie wird dann im Februar des selben Jahres für 200.000 Mark plus Konzession in Höhe von 100.000 Mark an den Apotheker Oscar Jacobi verkauft (woher stammt er?). Der hat nach Überlieferungen offensichtlich ein Alkoholproblem und erprobt sich im Nebenberuf als Tierarzt.

Auf jeden Fall beschwert sich im Dezember 1922 ein Tierarzt Dr. Wittmann bei Medizinalrat Franke in Waltershausen, dass Jacobi auf den Dörfern umherzieht und Tiermedizin verkauft. Außerdem trage Jacobis Briefkopf den Zusatz „Fabrikation von Tierarzneimitteln“. Bis 1926 soll es immer wieder Beschwerden gegen Jacobi gegeben haben, dass er Tiere behandelt. Ein Pferd beim Bauern Seifert in Teutleben soll verstorben sein. Jacobi wehrt sich. Er könne doch nichts dafür, wenn die Leute ihn holten. Arznei für das Pferd habe er nicht verordnet, der Bauer habe sie bei ihm geholt und selbst dem Pferd gegeben.

Schon zweimal soll Jacobi wegen Deliriums in der psychiatrischen Klinik Jena gewesen sein, heißt es. Egal, er schlägt sich durch. 1936 tritt Emma Jacobi, geborene Weidemann, aus Lispenhausen, Landgerichtsbezirk Kassel, von Beruf Apothekerin, als Inhaberin der Apotheke in Mechterstädt auf.

Sie erhält am 31. März 1937 die Erlaubnis, in ihrer Apotheke im Haus mit der Hausnummer 84 im angrenzenden Kolonialwarengeschäft einen Kleinhandel mit Branntwein zu betreiben. Für die Erlaubnis bezahlt sie 28 Reichsmark. Dazu eine Genehmigungssteuer in Höhe von 25 Reichsmark, woran man sehen kann, dass hohe Steuern keine Erfindung der Neuzeit sind.

Am 21. März 1940 tritt Friedrich Jacob Keller, geboren am 8. Oktober 1910 in Neckarshausen/Baden, als Apotheker in Mechterstädt auf. Adresse nun: Hauptstraße 14. Als Pächter sei er gezwungen, den Branntweinhandel der Frau Jacobi wegen des geringen Apothekenumsatzes fortzuführen, schreibt er an das Kreisamt Gotha, und bittet um Übertragung der Genehmigung dafür. Die Zeiten haben sich geändert. Jetzt wird mit „Heil Hitler“ unterzeichnet.

In den Aufzeichnungen des Mechterstädters Arno Schlothauer, „Mechterstädter Dorfgeschichten“, kann man lesen, dass von 1949 bis 1959 der durch den Krieg vertriebene und aus Breslau stammende Zahnarzt Dr. Artur Both in der alten Apotheke eine Praxis zum Segen seiner Patienten betrieb.

Die Apotheke von Fritz Keller wurde nach dessen Weggang in das damalige Westdeutschland verstaatlicht und ab 1950 durch Apotheker Fritz Altenbrunn weitergeführt, schreibt der ehemalige Schuldirektor von Mechterstädt. Fritz Altenbrunn sei 1960 in Pension gegangen und nach Gotha verzogen.

In Fritz Kellers Zeit muss die Apotheke in die Eisenacher Straße verlegt worden sein. 1946 stellte er den Bauantrag zum Umbau als Apotheke. Dort wurde sie 30 Jahre lang bis 1990 von der mit ihrer Familie nach Mechterstädt zugezogenen Apothekenassistentin Brigitte Wendt geführt – als Zweigstelle der Staatlichen Tenneberg Apotheke Waltershausen. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ist nicht mehr die Rede von einem Zweitgeschäft.

Im Mai 1992 wird die Apotheke in der Eisenacher Straße geschlossen. Im Oktober des selben Jahres eröffnet die Tabarzer Apothekerin Regina Gramm ihre „Hörsel-Apotheke“ an diesem Standort. Nach dem Neubau des Ärztehauses der Arztfamilie Rommel zog sie mit der Hörselapotheke im November 1993 in dieses Haus auf dem Schulhög mit ein. Von hier aus werden die Orte der Verwaltungsgemeinschaften “Hörsel” und “Hörselberg” seitdem umfangreich medizinisch versorgt und die Bürger medizinisch sehr gut beraten.

© Michael Berkner E-Mail

Gemeinde Hörsel
  • Waltershäuser Straße 16a
  • 99880 Hörsel OT Hörselgau

E-Mail:

Aktuelle Öffnungszeiten

Dienstag
09:00 Uhr - 12:00 Uhr und
13:00 Uhr - 18:00 Uhr

Donnerstag
09:00 Uhr - 12:00 Uhr und
13:00 Uhr - 15:30 Uhr